Meat Loaf: Rockoper für die Hitparade

Meat Loaf: Rockoper für die Hitparade
Meat Loaf: Rockoper für die Hitparade
 
Meat Loaf blickt im Jahr 2000 auf eine 35-jährige Karriere als Schauspieler und Sänger zurück, die wie kaum eine zweite von Höhen und Tiefen geprägt war. Nach seinen Anfängen als Musicaldarsteller in Erfolgsproduktionen wie »Hair« oder der »Rocky horror show« gelang es ihm gemeinsam mit dem Komponisten und Texter Jim Steinmann, 1977 mit »Bat out of hell« eines der meistverkauften Alben der Rockgeschichte zu veröffentlichen. 15 Jahre lang konnte Meat Loaf von diesem Erfolg profitieren und dabei künstlerisch stagnieren, doch 1993 schaffte das Team mit »Bat out of hell II: Back into hell« ein sensationelles, zwischenzeitlich eigentlich für unmöglich gehaltenes Comeback. Der Weltstar, der im Verlauf seiner Karriere insgesamt über 50 Millionen Schallplatten verkaufen konnte, betätigte sich während seiner gesamten Karriere immer wieder als Filmschauspieler und agierte zuletzt 1999 in den Hollywood-Produktionen »Fight club« und »Crazy in Alabama«.
 
 Mit »Hair« nach New York zu Jim Steinmann
 
Meat Loaf (dt: »Fleischlaib«) kam — nach eigenen Angaben — am 27. September 1951 als Marvin Lee Aday in Dallas, Texas, zur Welt (andere Quellen nennen 1947 oder 1948 als sein Geburtsjahr). Seinen Spitznamen und späteres Künstlerpseudonym erhielt er, nachdem er in Highschool-Tagen seinem Footballtrainer auf die Füße getreten war. Der Junge litt an Übergewicht, das allem Anschein nach von einer Drüsenkrankheit herrührte und während des gesamten Verlaufs seiner Karriere immer wieder im Mittelpunkt des Interesses stehen sollte. Mitte der Sechzigerjahre zog es Tausende junger Amerikaner an die Westküste, in den Bundesstaat Kalifornien, und auch Meat Loaf begab sich 1966 dorthin. In Los Angeles begann er, als Sänger mit einer nach ihm benannten Gruppe (Meat Loaf Soul) zu arbeiten, und nachdem sich diese im Jahr darauf in die psychedelische Rockband Popcorn Blizzard verwandelt und über drei Jahre einigermaßen erfolgreich Konzerte gegeben hatte (unter anderem im Vorprogramm von The Who, Ted Nugent, Iggy Pop), erhielt der junge Sänger das Angebot, bei der Produktion des Musicals »Hair« die Rolle des Ulysses S. Grant zu übernehmen. Das Aufsehen erregende Musical machte sich 1970 von Los Angeles aus auf den Weg durch die USA, und Meat Loaf reiste mit. In Detroit lernte er die Sängerin Stoney kennen (sie spielte die Sheila in der dortigen Inszenierung). Gemeinsame Aufnahmen resultierten 1971 in dem kleineren Hit »What you see is what you get«, dem 1972 ein ganzes Album folgte. Nachdem die Show im September 1971 in New York angekommen und dort beendet worden war, arbeitete Meat Loaf als Musicaldarsteller weiter. 1972 spielte er den Buddha in »Rainbow«, 1974 übernahm er gleich zwei Rollen in »More than you deserve«, einem Musical aus der Feder des Komponisten und Texters Jim Steinmann. Steinmann (Jahrgang 1956), ein großer Verehrer von Richard Wagner und Komponist bombastisch-kitschiger Musik, war bereits in jungen Jahren fest im New Yorker Showgeschäft etabliert, und das Zusammentreffen der beiden Männer erwies sich als schicksalhaft. Meat Loaf hatte Bühnenerfahrung, eine kräftige Stimme und ein Gespür für Theatralik, Steinmann das musikalische Vermögen, eingängige Melodien publikumswirksam zu orchestrieren und mitreißend zu einer aufwendigen Melange aus Rock und leichter Klassik zu arrangieren. Doch der gemeinsame Durchbruch im Musikbusiness ließ noch auf sich warten, immerhin feierte Meat Loaf in der Zwischenzeit einige Achtungserfolge. Er übernahm 1975 sowohl in der Bühnen- als auch in der Kinofassung der »Rocky horror show« die Rolle des Eddie, wirkte 1976 an der Musicalversion von Shakespeares »Hamlet« mit und schnupperte im gleichen Jahr mit Ted Nugent, bei dessen Album »Free for all« er den Gesangspart übernommen hatte, erstmals Höhenluft in den US-Charts (Nr. 24).
 
 Mit Fantasy-Horror an die Spitze
 
Ende 1977 legte Meat Loaf sein erstes, von Jim Steinmann geschriebenes und von Todd Rundgren produziertes Soloalbum vor. »Bat out of hell« (dt.: »Fledermaus aus der Hölle«), eine Mixtur aus Hardrock, Klavierkonzert und Horrormusical, die in gewisser Weise eine amerikanisierte Form des von der englischen Supergruppe Queen entwickelten Soundkonzepts darstellte, schoss in den US-Charts auf Platz 14, hielt sich über 80 Wochen in der Hitparade und verkaufte im Lauf der Jahre allein in den USA 13 Millionen Exemplare (weltweit um die 30 Millionen, was einen Platz unter den fünf meistverkauften Alben überhaupt bedeutet). In England kletterte die Platte gar auf Platz 9 und hielt sich sagenhafte 471 Wochen in den Charts, in Deutschland reichte es immerhin für Platz 11. Auch die vier Singleauskopplungen »Bat out of hell«, »Two out of three ain't bad«, »Paradise by the dashboard light« sowie »You took the words right out of my mouth« sorgten dafür, dass Meat Loaf und sein Fantasy-Heavy-Metal in aller Munde waren. Mit einer siebenköpfigen Band unternahm er 1978 eine über 170 Stationen führende Welttournee, in deren Verlauf er seine Stimmbänder überstrapazierte und sich regelmäßig so verausgabte, dass er, der nicht nur fettleibig war, sondern auch unter Asthma litt, mit Sauerstoffmaske und Kamillentee regeneriert werden musste (ein Sturz von der Bühne fesselte ihn am Jahresende dann für einen Monat an den Rollstuhl). Auf diese Überbelastungen reagierend, betätigte er sich 1979 vorübergehend wieder als Schauspieler und drehte die Kinofilme »Roadie« (mit Debbie Harry) und »Americathon«. Nachdem die Zusammenarbeit mit Jim Steinmann aufgrund beiderseitiger Animositäten eine Zeit lang unmöglich geworden war und dieser sein pathetisches Bombastkonzept alleine weiter umsetzte (»Bad for good«, 1981), kam erst im Herbst 1981 ein weiteres Gemeinschaftswerk in die Plattenläden. »Dead Ringer«, eingespielt mit Musikern von Bruce Springsteens E Street Band und komponiert von Steinmann, schlug in Europa — auch aufgrund des Erfolgsduetts mit Cher, »Dead ringer for love« — ein wie eine Bombe (England Nr. 1, Deutschland Nr. 8), während der amerikanische Markt ziemlich verhalten reagierte (Nr. 45). Steinmann war im Popgeschäft mittlerweile ein recht gefragter Mann und schrieb/produzierte Hits wie beispielsweise 1983 Bonnie Tylers weltweite Nr. 1 »Total eclipse of the heart«. Meat Loafs nächste Platte zeigte, dass er zwar von Steinmann profitierte, auf ihn aber nicht vollständig angewiesen war, denn nach einer erneuten Trennung enthielt »Midnight at the lost and found« (1983) etliche Eigenkompositionen und war dennoch sehr erfolgreich (wenngleich nur in Europa). Ähnliches galt für die LP »Bad attitude« (1984), bei der Roger Daltrey (von The Who) als Stargast mitwirkte und die mit » (Give me the future with a) Modern girl« einen weiteren Riesenhit enthielt. Eine Best-of-Kompilation, »Hits out of hell«, wurde 1985 veröffentlicht, um die Wartezeit bis zu Meat Loafs nächstem regulärem Album zu überbrücken. Mit Frank Farian, dem Münchner Discopop-Guru, als Produzent entstand 1986 »Blind before I stop«, doch die Käufer schienen des »singenden Fleischberges« (Spiegel) und seiner opulenten Rockschlager überdrüssig. Ein Konzertmitschnitt, »Live at Wembley«, belegte 1987 eindrucksvoll Meat Loafs Leistungen auf der Bühne, doch dann wollte seine damalige Plattenfirma Arista Records den Vertrag nicht verlängern, und es wurde still um »Mr. Loaf« (wie er unbedarft immer wieder angesprochen wurde).
 
 Comeback und Ernte
 
1990 machte der um die 120 kg schwere Meat Loaf eine Abmagerungskur, und während er sich 1992 wieder der Filmarbeit widmete (»Wayne's world«), durfte er verfolgen, wie sein erstes Superalbum und einige alte Singles wieder veröffentlicht wurden und die Hitparaden eroberten. Mit ausschlaggebend dafür war, dass seit 1991 sein erneuter Zusammenschluss mit Jim Steinmann medienträchtig diskutiert wurde. Tatsächlich legten die beiden 1993 — mit der Unterstützung von Virgin Records — wieder ein gemeinsames Album vor, das konzeptionell und im Titel direkt an »Bat out of hell« anknüpfte und Meat Loaf zu einem sensationellen Comeback verhalf: »Bat out of hell II: Back into hell« schoss in England, Deutschland und den USA auf Platz 1 der jeweiligen Charts (binnen weniger Monate wurden 5 Millionen Exemplare abgesetzt), und die zeitgleich beginnende Welttournee wurde zu einem fast ein Jahr lang dauernden Triumphzug. Die Singleauskopplung »I would do anything for love (but I won«t do that)« (mit aufwendig produziertem, opernartigem Video) wurde ein weltweiter Charttopper und brachte Meat Loaf 1994 einen Grammy in der Kategorie »Bester Solo-Rockkünstler« sowie einen Echo, den Preis der Deutschen Phonoakademie, in der Sparte »Künstler international« ein. Doch die Weltöffentlichkeit bewertete die Ereignisse nicht einhellig. Gerade die Belanglosigkeit der Musik und die flachen Inhalte, die immens clever vermarktet und einem wehrlosen Millionenpublikum quasi aufgedrängt wurden, bewogen die Leser der Musikzeitschrift »Rolling Stone«, welche sich wiederum der »seriösen« Rockmusik verpflichtet sah, Meat Loaf bei den Jahresumfragen Ende 1994 das »unwillkommenste Comeback«, das »schlechteste Album« und das »schlechteste Video« zu attestieren. Doch derlei konnte den Weltstar nicht aus der Ruhe bringen, und er folgte 1995 der Einladung Luciano Pavarottis, bei dessen jährlich stattfindendem Benefizkonzert für kriegsgeschädigte Kinder im italienischen Modena aufzutreten (dokumentiert auf »Pavarotti ' friends«). Als Nachfolger des Comeback-Albums erschien im Herbst 1995 »Welcome to the neighbourhood«, ein weiterer Megaseller, der die Hitsingles »I«d lie for you (and that's the truth)« (mit stimmlicher Unterstützung von Patti Russo), »Not a dry eye in the house« sowie »Runnin« for the red light« abwarf. Eine 1996 ansetzende Welttournee führte Meat Loaf nun auch nach Deutschland, und seine anhaltende Beliebtheit sorgte dafür, dass er 1997 in dem Promotions-Kinofilm der Spice Girls, »Spiceworld«, einen Gastauftritt absolvieren konnte. 1998 kletterte eine aktuellere, mit drei neuen Songs versehene Hit-Kompilation namens »The very best of Meat Loaf« in die oberen Ränge der Hitparaden, und der Künstler konzentrierte sich nun auch wieder einmal auf die Arbeit als Darsteller. 1998 drehte er den Actionfilm »Black dog« (mit Patrick Swayze), 1999 war er gleich in zwei viel besprochenen Filmen zu sehen. Neben Brad Pitt spielte er in »Fight club«, und in »Crazy in Alabama« unterstützte er gemeinsam mit Melanie Griffith Antonio Banderas bei dessen Regiedebüt. Im Herbst dieses Jahres veröffentlichte er nicht nur seine Autobiografie »To hell and back«, sondern außerdem das interaktive VH1-Projekt »Storytellers«, das neben altem Material als neuen Song auch die Vorab-Single »Is nothing sacred« enthielt und das er im Winter USA-weit live vorstellte.
 
 
Stoney and Meatloaf (1971)
 
Free for all (1976; mit Ted Nugent)
 
Bat out of hell (1977)
 
Dead ringer (1981)
 
Midnight at the lost and found (1983)
 
Bad attitude (1984)
 
Hits out of hell (1985; Sampler)
 
Blind before I stop (1986)
 
Live at Wembley (1987)
 
Prime cuts (1989; Sampler)
 
Bat out of hell II: Back into hell (1993)
 
The collection (1993; Sampler)
 
Welcome to the neighbourhood (1996)
 
The very best of Meat Loaf (1998; Sampler)
 
Storytellers (1999)
 
 Filme
 
Rocky horror picture show (1975) mit Tim Curry, Susan Sarandon u. Richard O«Brien; Regie: Lou Adler
 
Roadie (1979) mit Debbie Harry; Regie: Alan Rudolph
 
Americathon (1979); Regie: Neil Israel
 
Out of bounds (1986); Regie: Richard Tuggle
 
Wayne's world (1992) mit Mike Myers; Regie: Penelope Spheeris
 
Black dog (1998) mit Patrick Swayze; Regie: Kevin Hooks
 
Fight club (1999) mit Brad Pitt u. Ed Norton; Regie: David Fincher
 
Crazy in Alabama (1999) mit Melanie Griffith; Regie: Antonio Banderas
 
 
Fallscheer, Andreas: Meat Loaf. Wien 1994.
 Kurz, Patrizia und Isenbarth, Ralf E.: Meat Loaf. Phönix aus der Hölle - eine Biographie. Hamburg 1994.

Universal-Lexikon. 2012.

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